Der VfL: Eine Rot-Weiße Kultmannschaft
Alles begann vor beinahe 40 Jahren, als eine Handvoll Anhänger dieses noch recht exotischen Sports im südlichsten Zipfel Frankens die ersten Teams auf Korbjagd schickten. Heute ist aus dem Kleinstadtverein eine der großen Adressen des regionalen Basketballs geworden. Mit einer Philosophie, die man treffender kaum beschreiben kann als mit: Wir sind Rot-Weiß!
Denn beim VfL Treuchtlingen ist auch in seiner dritten Saison in der 1. Regionalliga – darüber sind nur noch die Profiligen angesiedelt – alles ein wenig anders: Wo die Gegner aus Würzburg, Zwickau oder vom FC Bayern oft gleich mehrere Halbprofis aus den USA oder Osteuropa engagieren, setzen die Treuchtlinger auf die eigene, intensiv betriebene Nachwuchs-Arbeit: Fast alle Spieler des aktuellen Kaders, viele von ihnen noch nicht einmal 20 Jahre alt, stammen aus der eigenen Jugend.
Eine der seltenen Ausnahmen ist der Trainer: Stephan Harlander war als Spieler und Trainer schon für Nürnberg in der 1. und 2. Bundesliga tätig. Und landete dennoch in der Basketball-Provinz Treuchtlingen. Warum?
„Hier ist über Jahre hinweg etwas Einzigartiges entstanden“, schwärmt der Ü-40-Nationalspieler, „und ich kann ein Teil davon sein. Das ist für mich inzwischen reizvoller als der vordergründig so glanzvolle Profisport. Hier kann ich intensiv an einem langfristigen Projekt mitarbeiten, kann ernten, was wir Jahre zuvor selbst gesät haben.“
Wenn Harlander, der auch mehrere Jugendmannschaften trainiert, von „wir“ spricht, meint er vor allem Josef Ferschl, einen jener eingangs erwähnten Basketball-Pioniere. Das ligaweit anerkannte „Projekt VfL“ ist vor allem sein Werk, an dem er schon sein halbes Leben lang als Abteilungsleiter arbeitet, für das er unzählige Stunden seiner Freizeit opfert – und zu dem er sogar eigenes „Personal“ beisteuerte: Seine beiden Söhne spielen im Regionalliga-Team…
Der sportliche Höhenflug der Korbjäger mit drei Aufstiegen in vier Jahren sorgte in Treuchtlingen für einen regelrechten Zuschauer-Boom: 600 Fans füllen die Turnhalle der Senefelder Schule bei jedem Heimspiel, zu besonders brisanten Duellen kann sich der Schatzmeister auch schon mal über 750 verkaufte Tickets freuen – und die Mannschaft über einen lautstark-euphorischen Hexenkessel, der in dieser Spielklasse einmalig ist.
Unter den Fans finden sich auch viele ehemalige Spieler, die mit Begeisterung verfolgen, welch großen Sport ihre Nachfolger bieten. „Ich kenne die meisten von ihnen, seitdem sie als Kinder zum ersten Mal in die Halle getapst sind“, sagt einer von ihnen, „und ich bin richtig stolz auf sie.“ Angesprochen auf das eherne Prinzip, auf teure „Legionäre“ zu verzichten, kommt von den Fans uneingeschränkte Zustimmung: „Das ist unser Weg, deshalb lieben wir diese Mannschaft!“, so der einhellige Tenor. Und wenn es eines Tages mal nicht mehr für die höchste deutsche Amateurliga reichen sollte, dann „steigen wir eben erhobenen Hauptes ab“.
Denn wichtiger als der (gekaufte) sportliche Erfolg ist den Treuchtlingern ihr einzigartiges Nachwuchskonzept. Und ihre Philosophie: Wir sind Rot-Weiß.
Jürgen Eisenbrand