Das Slow Food Convivium Nürnberg ging 2011 in eine neue Ära. Das große und einflussreiche Convivium wählte mit Claus Fesel und Peter Schubert ein neue und sehr aktive Führung. Hermann Drummer hat sich mit beiden unterhalten. Vor allem über das Genießen und wie sie dazu kamen:
HDR: Was sagt Ihnen ,Wir sind Rot-Weiß‘?
Fesel: Als Wahlfranke denke ich bei Rot-Weiß an das Wappen und die Flagge meiner Heimatstadt Hamburg.
Schubert: Rot-Weiß finde ich gut – beim Wein. Ich kann mich manchmal nicht entscheiden, ob rot oder weiß. Hauptsache gut! Ich denke auch an ‚Franken – Wir sind Rot-Weiß’! Auch dort steht der Genuss ganz oben.
HDR: Woher kommt Ihre Leidenschaft für gutes Essen?
Fesel: Ich habe die Leidenschaft für gutes Essen von meiner Mutter geerbt – sie war eine exzellente Köchin zu Hause in ihrer Küche.
Schubert: Als ich laufen lernte, brachte mich auch niemand mehr aus der Küche. Es wurde mein Lieblingsort. Zuerst schlich ich nur herum. Aber als ich größer als der Herd wurde, wollte ich immer alles selber in den Töpfen und Pfannen rühren und dann schnabulieren. Es war eine glückselig machende Zeit.
HDR: Und an was denken Sie, wenn heute an gutes Essen denken?
Fesel: Ich denke an meine Studentenzeit - als genuss-aktiv wurde. Die Ravioli aus der Dose hingen mir irgendwann zum Hals heraus. Da machte ich mir die eine oder andere Kleinigkeit selbst. Noch besser wurde es mit der damaligen Freundin, die traumhaft gut kochte, während ich bei McDonalds einen Studentenjob hatte.
Schubert: Das gute Glas Wein und die Freude an gutem Essen ist wie ein kleiner Urlaub inmitten des Alltags, der in meinem Beruf fast immer mit Problemen und Schicksalsschlägen anderer zu tun hat. Ich möchte mir dies bewahren – für mich, aber auch für andere. Darum ist mir die Gleichschaltung des Geschmacks durch die Industrie zunehmend ein Dorn im Auge.
HDR: Hatten Sie prägende Erlebnisse, die in Ihrer Slow Food-Haltung bestärkten?
Fesel: Für mich war McDonalds eine Erfahrung, die mich prägte – neben meiner Freundin, die ausgebildete Köchin und Ernährungswissenschaftlerin war. Ich entwickelte damals meine Abneigung gegen industriell verarbeitete Lebensmittel. Diese Erfahrung wird lebenslang anhalten.
Schubert: Der Verlust der Arten- und Sortenvielfalt, die Standardisierung und Fremdbestimmung des Essens, der Verlust des „Kulturguts Ernährung“ machten mich zunehmend ärgerlich und als bekennender „Gastrosoph“ wollte ich etwas dagegen tun. So bin ich irgendwann auf Slow Food gestoßen.
Was überzeugt Sie heute von Slow Food?
Fesel: Ich habe auch einen Beruf, der mich stark beansprucht. Seit 25 Jahren wohne und arbeite ich in Nürnberg und seit 2004 bin ich Mitglied bei Slow Food, ein schöner Ausgleich zu meiner aufreibenden Arbeit. In dieser Zeit drängten sich immer mehr die Grundwerte ‚Gut – Sauber – Fair’ in den Vordergrund, für die ich mich schon lange engagiere - und seit 2011 tun Peter Schubert und ich das in vorderster Reihe als Vorsitzende des Slow Food Conviviums Nürnberg.
Schubert: Essen ist lustvoll – das kann aber auch ein politisches Thema sein! Mit Slow Food habe ich die für mich passende Organisation gefunden: Nicht dogmatisch, aber dennoch engagiert, kritisch und immer geist- und genussreich. Ich bin überzeugt: Mündige Konsumenten können etwas verändern und Slow Food ist die passende Plattform dafür.
HDR: Genuss oder Engagement - oder beides?
Fesel: Es gibt viel zu tun in unserer Gesellschaft – nicht nur in den Parlamenten. Bürgerschaftliches Engagement ist heute wichtiger denn je. Ich war Vizepräsident des Marketingclubs Nürnberg, 10 Jahre als Kreisvorsitzender von Bündnis 90 / Die Grünen und immer engagierte ich mich für regionale Produzenten und Wirtschaftskreisläufe, weil gute regionale Produkte mit artgerechter Tierhaltung und verantwortungsvoller ökologischer Umgang mit den Bodenressourcen der erste Schritt zu Geschmack und Genuss sind.
Schubert: Dem kann ich nur zustimmen. Allerdings darf man bei allem bürgerschaftlichen Engagement nicht die Freude am Genießen verlieren. Manchmal habe ich schon das Gefühl, dass einige Genussverwalter herumlaufen, bei denen über dem täglichen Kampf um mehr Einfluss diese Fähigkeit auf der Strecke geblieben ist.
HDR: Und was wollen Sie zu guter Letzt unseren Leserinnen und Leser auf den Weg geben?
Das Schlusswort von beiden: Wir wollen Botschafter für eine genussvolle Denk- und Lebensweise sein. Uns ist es wichtig, dass Geschmack und Genuss auch morgen noch eine Zukunft haben.
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